Das Landesjugendwerk der AWO Saarland fordert die saarländische Landesregierung auf, alle Möglichkeiten der Einflussnahme auszuschöpfen, um entsprechende Entscheidungen über die erneuerten Vorgaben und Regelungen im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie im Sinne der und Hinblick auf die Kinder und Jugendlichen zu treffen und besonders Jugendverbänden (finanzielle) Handlungsspielräume zu eröffnen, Kindern und Jugendlichen in den Sommerferien bei gelockerten Regelungen des Infektionsschutzes Angebote zur kind- und jugend- sowie entwicklungsgerechten Freizeitgestaltung darbieten zu können.
Erläuterung: Alle Bürger*innen erleiden im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie bereits seit Wochen erhebliche Einschränkungen in ihrem Alltag. Doch besonders Kinder und Jugendliche erleben enorme Restriktionen in ihrem gewohnten, strukturierten Alltag, der mitunter geprägt ist vom Schulbesuch, Vereins- oder Jugendverbandstätigkeiten sowie individueller Freizeitgestaltung mit Gleichaltrigen. Die Schutzmaßnahmen verbieten jedweden sozialen Kontakt außerhalb der Familie, wodurch die jungen Menschen sehr viel größere Abweichungen ihres normalen Alltags erleiden als dies arbeitende Bürger*innen tun. Kindheit und Jugend sind Lebens- und Entwicklungsphasen, die besonders geprägt sind vom Er-Leben, vom Austausch mit anderen, vom Gestalten und Mitbestimmen, von selbstbestimmter Entscheidungsfindung – nicht nur in der Schule, sondern auch besonders in informellen Kontexten und Räumen.
Durch die aktuelle Situation mit Blick auf die Schließung von Schulen und dem Verbot gemeinschaftlicher Freizeitgestaltung werden den Kindern und Jugendlichen Entwicklungschancen genommen. Doch die Bedürfnisse und Bedarfe der Kinder und Jugendlichen dürfen nicht aus dem Blick geraten.
Viele Entwicklungsfelder junger Menschen verzeichnen durch die aktuelle Lage erhebliche Einbußen:
- Besonders in kleinen Wohnungen, die nicht über einen Zugang zu einem Garten verfügen, sind die Tobe- und Spielmöglichkeiten von Kindern stark eingeschränkt, was mitunter Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung der Kinder haben kann
- die psycho-soziale Entwicklung, die Entwicklung von Sozialverhalten, die Konfliktfähigkeit und das Demokratie-Erleben im Umgang mit Gleichaltrigen leidet unter dem Kontaktverbot mit anderen jungen Menschen
- die kognitive Entwicklung erlebt Einbußen durch fehlenden neuen,
außerschulischen Input, wenn eine Forderung und Förderung im Elternhaus
nicht gewährleistet werden kann und Abwechslung im Er-Leben fehlt
- etc.
So fordert beispielsweise auch der Deutsche Bundesjugendring: „Als
Gesellschaft müssen wir dringend darüber reden, wie Kinder und
Jugendliche in dieser Krise gestärkt werden können“, wenn sie noch
länger auf selbstbestimmte Freiräume, Aktivitäten mit Gleichaltrigen,
Treffen in verbandlichen Gruppenstunden, Jugendfreizeitstätten und
Jugendfreizeiten verzichten müssen.
Den Jugendverbänden kommt hier eine tragende Rolle zu, die
besonders bei der außerschulischen Entwicklung junger Menschen
beitragen. Da viele Aktivitäten der Jugendverbände in Zeiten einer
Pandemie nicht wie gewohnt möglich sind, versuchen derzeit viele
Jugendverbände, mit digitalen Angeboten sinnvolle Freizeitgestaltung
sowie Räume des Austauschs anzubieten. Doch die digitale Jugendarbeit
befindet sich noch in den Kinderschuhen. Auch wenn Webinare und
Sitzungen problemloser digital umsetzbar erscheinen – wie lassen Kinder
und Jugendliche erreichen und Angebote gestalten, die das gemeinsame
Er-Leben, Gestalten und Mitentscheiden in den Fokus nehmen, was so
wichtig für eine positive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist?
Auch ist nicht allen Kindern und Jugendlichen die digitale Partizipation
möglich, wenn wichtige Grundvoraussetzungen wie Breitband oder
entsprechende Hardware fehlen und so der Zugang zu internetbasierten
Angeboten negiert wird.
In den kommenden Wochen soll der Besuch von Kindergärten, Schulen
und Universitäten wieder schrittweise ermöglich werden. Wir schließen
uns hier der Forderung des DBJR an, unbedingt auch den außerschulische
Bereich zu stärken, „denn er ist für die Persönlichkeitsentwicklung
junger Menschen als Teil unserer Gesellschaft mindestens genauso
wichtig“ (
https://www.dbjr.de/artikel/jugendverbaende-als-wichtiger-teil-der-zivilgesellschaft-in-krisenzeiten/).
Den Fokus wollen wir hierbei darauf legen, den Kindern und
Jugendlichen mit der Zeit wieder reguläre, unter den entsprechenden
Regeln des Infektionsschutzes mögliche Angebote und Aktivitäten zu
unterbreiten. Zwar können vermutlich Jugendreisen und Ferienfreizeiten
diesen Sommer nicht realisierbar sein, doch lassen sich auch
Freizeitprogramme für Kinder und Jugendliche saarlandintern bei
gelockerten Regelungen des Infektionsschutzes gestalten, die nicht
lediglich digital und virtuell dargeboten werden.
Hilfreich sind hier bereits kleine Schritte und Angaben, die den
Freiheitsgrad der Jugendverbände umreißen und bei einem
verantwortungsbewussten Umgang und entsprechender Hygienemaßnahmen
Aktivitäten ermöglichen:
Welche Fallzahlentwicklung ermöglicht:
- die Durchführung von einzelnen Tagesangeboten und Projekten in Jugendhäusern
- die Durchführung von saarlandinternen Tagesfreizeiten
- die Durchführung von saarlandinternen Übernachtungsfreizeiten
- den Besuch eines Schwimmbades/Hochseilgarten/Ausflugsziels mit einer Kinder-/Jugendgruppe
Welche Gruppengröße könnte für welche Freizeitaktivität erlaubt werden? Welche Hygienemaßnahmen müssen entsprechend eingehalten werden?
Des Weiteren müssen die Förderrichtlinien für Freizeitmaßnahmen für das Jahr 2020 an die Corona-Bedingungen angepasst werden. Wenn ein erhöhter Betreuungsschlüssel für Kinder- und Jugend-Freizeitmaßnahmen sowie neuartige Methoden und Projekte erforderlich werden, müssen die finanziellen Mittel und Vorgaben dementsprechend angepasst werden, um Betreuungs- und Freizeitmaßnahmen unter Beachtung des Infektionsschutzes gewährleisten zu können.
verabschiedet am 28.April 2020